Eigentlich war es ein Zufall, dass Leonie und Calle mit dem Balkongärtnern anfingen. Die drei reduzierten Saattöpfe im Baumarkt hatten sie einfach sofort ins Herz geschlossen. Jetzt gehören sie zur Familie.
Er (32) ist stellvertretender Marktleiter in einem Fahrradhandel, sie (30) studiert systematische Musikwissenschaft und kennt sich mit Akustik aus. Die Schwingungen sind schonmal gut, als ich die schöne Altbauwohnung von Calle und Leonie in Kiel betrete. In ihrem geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer haben einige grüne Zimmerpflanzen ihren Platz auf der Fensterbank gefunden. Auf ihrem Nord-Ost-Balkon ist auch ordentlich was los. Tomaten, Chilis, Paprika, eine Sonnenblume und diverse andere Blümchen tummeln sich in einem stimmigen Miteinander auf circa 3m².
Bis vor einem Jahr beschränkte sich Leonie‘s florale Vielfalt auf Blumen. Vor allem die Sonnenblume, die sie von einer Freundin zum Selberziehen geschenkt bekam, hatte es ihr angetan. So hübsch und sommerlich. Im März dieses Jahres entdeckten Calle und Leonie dann kleine, reduzierte Saattöpfe mit Chili-, Paprika- und Tomatensaat im Baumarkt. "Warum eigentlich nicht?", dachte sich das Paar. Zu dem Zeitpunkt sahen sie zwar nicht mehr so gesund und dolle aus, doch nun zieren sie das kleine Stadtidyll im zweiten Stock. Seither ist es hauptsächlich Leonie, die sich für die Pflanzen verantwortlich fühlt. Sie erzählt mir, dass alles ganz spontan anfing. Sie rechneten eigentlich mit einem Misserfolg und dachten nicht, dass aus den mickrigen Baumarkt-Angeboten etwas werden würde. Nicht selten vergaß sie das Gießen oder war sich nicht sicher, was sie da eigentlich tat oder was die Pflanzen brauchten.
Kräuter waren schon immer ein Graus, die gingen bisher verlässlich unter ihren Fittichen ein. Auch bei den Tomaten herrscht momentan Stillstand und etwas Ratlosigkeit. Im Internet wurden ganze Suchmaschinen durchforstet, in der Hoffnung, eine verlässliche und eindeutige Diagnose für braune Tomatenblätter zu erhalten. Ist es ein Anzeichen für zu viel oder etwa doch zu wenig Sonne? Ist das Gießen wieder ein Problem? Muss man sie etwa düngen? Im Keller steht noch eine angebrochene Tüte Blumendünger – die kann man doch verwenden, oder? Hach, wenn Pflanzen doch sprechen könnten…
Doch Leonie ließ sich nicht entmutigen und hat vor allem Freude am Gärtnern, weil es schön aussieht und ihr das Stück Natur direkt vor dem Fenster inmitten der umliegenden Hausfassaden guttut. Sie möchte ihren Teil zur Stadtbegrünung beitragen und freut sich über die Bienen, die nun Futterquellen auf ihrem Balkon finden. Calle wirft ein, ihm ginge es darum, seinem Essen beim Wachsen zuzugucken. Er freut sich schon auf leckeres Chili con Carne mit Schoten vom eigenen Balkon oder pikantes, selbstgemachtes Chili-Öl.
In Zukunft wollen sie gerne auch ihren zweiten Balkon begrünen und überlegten, einige ihrer Schützlinge mit in den Urlaub zu nehmen oder einen Pflanzensitter zu engagieren. Dass die beiden eine starke Bindung zu ihren Pflanzen haben, wird deutlich als Leonie die Jungpflanzen freundlich begrüßt und ihnen gut zuredet. Da stimmen die Schwingungen einfach.
Danke, Leonie und Calle, für die nette Zeit auf eurem Balkon!